Unternehmensorganisation für remote Unternehmen

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Dieser Blogbeitrag erzählt die wie sich das Unternehmen Frontastic im Remote Zeitalter organisiert: 

Beginnen wir mit dem einfacheren Teil: der Organisation des Unternehmens, genauer gesagt, der Kommunikation und der Arbeitsorganisation.

Ich kenne nur wenige Unternehmen, die die Erwartungen beispielsweise an die Reaktionszeiten richtig geregelt haben. Diese hängen natürlich sehr stark von der jeweiligen Tätigkeit ab. Ein großer Vorteil des Home-Office ist aber, dass es einfacher ist, Themen konzentriert zu bearbeiten. Im Büro ist je nach Kultur die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass bei jeder Gelegenheit ein netter Kollege reinstolpert und einen mit einer Frage aus dem Flow holt. Natürlich gibt es auch Stellen, deren Zweck es ist, pausenlos Fragen zu beantworten, aber von denen spreche ich hier nicht.

Wissensarbeit braucht Konzentration

Aber wenn Sie Wissensarbeit zu leisten haben, brauchen Sie Konzentration. Hier ist es sehr wichtig, klarzustellen, dass während dieser Fokusphasen keine Antworten auf Fragen erwartet werden können. Der Vormittag ist weitgehend der Fokusarbeit gewidmet - die Kommunikation findet nur asynchron statt. Aus diesem Grund haben wir das morgendliche Stand-up-Meeting asynchron gestaltet: in Form eines Slack-Bots. (GeekBot).

So können wir viel besser auf die unterschiedlichen Lebensstile unserer Mitarbeiter eingehen, ohne auf diesen - wiedergewonnenen - wichtigen Austausch verzichten zu müssen.

Unsere Kommunikationsregeln besagen, dass es völlig in Ordnung ist, eine persönliche Frage in Slack nach 2 oder sogar 4 Stunden zu beantworten. Wenn jemand eine schnellere Antwort braucht, muss er zum Telefon greifen. Diese Form von klaren Regeln entspannt alle Mitarbeiter sehr.

Wir haben alle von 11-12 Uhr (MEZ) als Zeitfenster für interne Meetings geblockt. Jeder Mitarbeiter sollte versuchen, diese Zeit so weit wie möglich von externen Terminen freizuhalten. Wir probieren gerade ein Tool aus, das uns hilft, diese tägliche Stunde effizient zu nutzen (Remeet). Anstatt Besprechungen mit bestimmten Personen zu planen, erhält das Tool lediglich die Information, wer teilnehmen soll und welche Priorität das Thema hat. Die Zuweisung erfolgt dann automatisch und dynamisch. Darüber hinaus ist es möglich, das Protokoll und eine Videoaufzeichnung inklusive Transkription direkt im entsprechenden Slack-Kanal zu speichern, so dass andere Mitarbeiter später darauf zugreifen können - asynchron. Bisher waren die Arbeitstage vieler Mitarbeiter immer stark durch interne Meetings fragmentiert und es war oft schwierig, Zeit für größere Gruppen (3-4 Mitarbeiter) zu finden. Dies scheint sich mit dem Einsatz von Remeet zu verbessern.

Am Abend läuft wieder ein Slack-Bot, der uns fragt, ob es Highlights oder Lowlights gab, die wir mit unseren Kollegen teilen möchten und wie der Tag insgesamt auf einer Skala von 1-5 gelaufen ist. Am Ende haben Sie die Möglichkeit, dies in einem kurzen Statement zu erläutern. Auch dies ist asynchron. Die Idee ist, dass Sie hier aufschreiben, was Sie einem Kollegen am Abend im Fahrstuhl auf die Frage "Wie war Ihr Tag, gab es etwas Besonderes?" antworten würden.

Sowohl das morgendliche Stand-up als auch das abendliche End-of-Day-Bot wird intensiv geschrieben und gelesen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir großen Wert darauf legen, unseren Mitarbeitern einerseits so viel Freiraum wie möglich für ihre persönliche Arbeit zu geben, andererseits aber auch ihren persönlichen Tagesablauf zu leben, ohne die Teamarbeit einzuschränken.

Das war - wie gesagt - der einfachere Teil.

Unternehmenskultur in einem Remote Unternehmen

Schwieriger wird es, wenn es um die Unternehmenskultur geht. In meiner Wahrnehmung tut das klassische Unternehmen sehr wenig, um sie zu fördern: Klassisch denkt man in Kategorien wie dem Sommerfest, der Weihnachtsfeier und - je nach Alter des Unternehmens - der hochwertigen Kaffeemaschine oder der Tischtennisplatte. Der Premium-Arbeitgeber bietet beides und noch einen weiteren Knaller: Wenn es ein jährliches Mitarbeitergespräch gibt, hat das Unternehmen das Gefühl, schon weit vorne zu sein.

Der Rest ergibt sich oft von selbst. Dadurch, dass die Mitarbeiter jeden Tag zusammenarbeiten, sich sehen und vielleicht sogar gemeinsam Pause machen. Die Kaffeeküche ist für Nichtraucher ein guter Ort, um sich über Abteilungsgrenzen hinweg auszutauschen. Raucher, die man heute nur noch selten sieht, sind oft die bestinformierten Menschen in einem Unternehmen.

Virtuell nicht fern

Wenn nun alle Mitarbeiter an verschiedenen Orten tätig sind, sind diese Mittel des sozialen Austauschs nicht mehr notwendig. Wenn Sie Ihr Unternehmen aus der Ferne führen, müssen Sie diese Dinge organisieren, um erfolgreich zu sein. Denn alle Untersuchungen haben gezeigt, dass Remote-Teams mindestens so erfolgreich sind wie Teams, die physisch zusammen sind, wenn der soziale Austausch gegeben ist - aber nur dann!

Zusätzlich zu den 4 physischen Treffen bei Frontastic (3 2-tägige Retrospektiven und ein 5-tägiges Retreat) arbeiten wir ständig daran, den sozialen Austausch zwischen den Mitarbeitern zu fördern. Das fängt damit an, dass wir nicht müde werden zu betonen, wie wichtig wir diesen Austausch von Nebensächlichkeiten für den Geschäftserfolg halten. Aber das allein reicht natürlich nicht aus.

Auch hier gibt es technische Hilfsmittel, die Sie unterstützen: Der Donut Bot zum Beispiel initiiert zufällige Einzelgespräche. Wir haben noch andere Bots laufen, die z.B. am Montag fragen, ob es etwas Besonderes vom Wochenende zu teilen gibt oder ob man ein paar Fotos posten möchte. Alle zwei Wochen fragt derselbe Bot die Mitarbeiter nach persönlichen Belanglosigkeiten: Was ist Ihr Lieblingswerkzeug in der Küche? Was ist Ihr nächstes Urlaubsziel? Was ist Ihre beste Fähigkeit, die viele in der Firma noch nicht kennen? Und so weiter. Die Antworten werden alle sofort auf unserem #social-Kanal gepostet, und oft entstehen hier sehr gute Diskussionen. Als Führungskraft muss man mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass Austausch erwünscht ist, indem man sich die Zeit nimmt, Diskussionen anzustoßen und Fragen zu stellen.

Einmal pro Woche gibt es eine unternehmensweite, asynchrone Retrospektive, die ebenfalls durch einen Bot ausgelöst wird. Auch hier gilt die gleiche Regel: Nur wenn alle Führungskräfte das Tool ernst nehmen, kann man das auch von den Mitarbeitern erwarten.

Persönliches Feierabendbier per Video

Mit meinem Mitbegründer Thomas treffe ich mich oft auf ein Bier (oder Rum, Whisky, ...) nach der Arbeit. Außerdem machen wir als Unternehmen Dinge wie einen monatlichen After-Work-Treff. Wir haben auch die Regel, dass man in Meetings möglichst 5 Minuten früher da sein sollte, um diese Zeit für Smalltalk zu nutzen.

Mit meinem Mitbegründer Thomas treffe ich mich oft auf ein Bier (oder Rum, Whisky, ...) nach der Arbeit. Außerdem machen wir als Unternehmen Dinge wie einen monatlichen After-Work-Treff. Wir haben auch die Regel, dass man in Meetings möglichst 5 Minuten früher da sein sollte, um diese Zeit für Smalltalk zu nutzen.

Als COO und Integrator führe ich mit jedem Mitarbeiter persönliche Gespräche. Bei derzeit 30 Mitarbeitern habe ich den Rhythmus, mit jedem einmal im Quartal 30 Minuten zu sprechen. Bei weiterem Wachstum wird es sicher weniger oder kürzer werden. Diese Gespräche sind mir besonders wichtig, um ein Gefühl für das Unternehmen zu bekommen, den Puls zu fühlen" und mit möglichst vielen Menschen in einen direkten Austausch zu kommen. Die Gespräche haben keinen geschäftlichen Inhalt, es ist ein rein persönlicher Austausch. Natürlich sprechen wir auch über Themen aus dem Unternehmen - aber das ist nicht das Ziel.

Die Mitarbeiter besprechen die Fachthemen mit ihrem People Lead, mit dem sie auch regelmäßige Einzelgespräche führen: Je nach Präferenz liegt der Abstand hier zwischen 2-8 Wochen. Ziel dieser Gespräche ist es, die spezifischen Befindlichkeiten des Mitarbeiters zu verstehen und wie der People Lead den Mitarbeiter bei der Erreichung seiner persönlichen Ziele, der Ziele des Teams und des Unternehmens besser unterstützen kann. Wir haben kein Vorgesetztenmodell, also Personen, an die berichtet wird, sondern die People Leads sollen die Mitarbeiter in ihrer Entwicklung bestmöglich unterstützen. Der Bereich, in dem das klassische C-Level-Management und andere zentrale Abteilungen angesiedelt sind, heißt daher Empowerment Area.

Wenn es um die Unternehmenskultur geht, dürfen wir die entsprechenden und gelebten Unternehmenswerte nicht vergessen: Hier möchte ich vor allem den Transparency first-Ansatz und eine Kultur der gegenseitigen Hilfe hervorheben. Für ein Remote-Unternehmen ist es sehr wichtig, dass Gespräche nicht in privaten Slack-Kanälen geführt werden. Die Übertragung von privaten Slack-Kanälen auf ein klassisches Unternehmen würde bedeuten, dass alle Gespräche nur von 2 Personen hinter verschlossenen Türen geführt werden. Spontane, offene Kommunikation ist ein wesentlicher Bestandteil jeder Unternehmenskommunikation und besonders wichtig für ein Remote-Unternehmen. Deshalb: Verwenden Sie möglichst keine privaten, sondern offene Slack-Kanäle.

Es ist wichtig, hier darauf hinzuweisen, dass wir nicht erwarten, dass Sie alles lesen, was andere in Slack schreiben. Sie können nur Nachrichten im Teamkanal lesen und wenn Sie persönlich erwähnt werden. Alles andere ist wie eine Zeitung zu betrachten: Man liest, was einem ins Auge sticht, an einem Tag mehr, am nächsten Tag weniger.

Ist das Home Office ein Erfolgsmodell?

Um auf die Überschrift zurückzukommen: Nein, das Homeoffice ist nicht für jeden Menschen oder jedes Unternehmen ein Erfolgsmodell. Aber es kann sowohl den Unternehmen als auch den Menschen viel Leid abnehmen (Fachkräftemangel, lange Anfahrtswege). Das funktioniert aber nur, wenn man es - wie so oft - richtig macht. Sonst kann es passieren, dass das Homeoffice für viele Unternehmen und Mitarbeiter zu einer sehr negativen Erfahrung wird.

Meine dringende Bitte ist daher, es nicht bei den technischen Hilfsmitteln (elektronische Akten/Papierloses Büro, Videokonferenzen, Forum/Chat-Software) zu belassen, sondern ein besonderes Augenmerk auf Kommunikationsregeln und vor allem auf den sozialen Austausch zu legen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn viele Menschen und Unternehmen positive Erfahrungen mit dem Arbeiten von zu Hause aus machen und so einen positiven Impuls aus dieser ungewöhnlichen Zeit mitnehmen.

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